Leipzig steht heute im Weltmittelpunkt |
09.12.2005 Leipzig steht heute im Weltmittelpunkt
Leipzig (ots) - von Winfried Wächter Für das örtliche Marketing ist ein Ereignis mit diesen Dimensionen wie ein Sechser im Lotto. Solche Aufmerksamkeit galt den Leipzigern zuletzt, als sie vor 16 Jahren friedlich um ihren Ring marschierten und dafür sorgten, dass sich die Welt veränderte. Das wird heute nicht der Fall sein. Aber gegen 22 Uhr diskutieren die Fans auf allen Kontinenten die Gruppeneinteilung und nennen dabei immer wieder den Namen Leipzig. Insofern kann sich die Stadt beim nationalen Organisationskomitee mit seinem Chef Franz Beckenbauer bedanken, den Zuschlag für dieses Großereignis erhalten zu haben. Es hat sich auch ausgezahlt, dass im Rathaus sofort der Finger nach oben schnellte, als der WM-Kuchen verteilt wurde. Während zum Beispiel die Dresdner eine halbe Ewigkeit darüber diskutierten, ob und wie und wann sie sich vielleicht doch als Spielort bewerben sollten, war an der Pleiße längst die Entscheidung dafür gefallen. Dabei hat es Leipzig den obersten Fußball-Funktionären auch nicht immer leicht gemacht. Zwistigkeiten zwischen Stadt und Stadionbetreiber, langer Streit darüber, wer für den teurer als geplant werdenden Bau aufkommt und vor allem das Dilemma um den lokalen Fußball riefen immer wieder die Neider auf den Plan. In allen anderen elf WM-Stadien wird Bundesliga gespielt - im Zentralstadion ist die vierte Liga trauriger Alltag. Zum Vergleich: Bremen steht mit Werder im Achtelfinale der Champions League, für die WM wurden die Norddeutschen nicht berücksichtigt. Nur zu verständlich, dass dieser Widerspruch stets Argumente liefert und der Messestadt noch lange zu schaffen machen wird. Zumindest so lange, bis die WM-Arena auch nach den fünf Spielen der Endrunde im nächsten Jahr mit dem Zweck ausgelastet wird, für den sie mit erheblichen Steuergeldern auch gebaut wurde:mit hochklassigem Fußball nämlich. Ansonsten droht die supermoderne Anlage eine hochsubventionierte Investruine zu werden, in der allenfalls Konzerte von Popstars für ein volles Haus sorgen. So viele Länderspiele kann der DFB gar nicht nach Leipzig vergeben, um auf diese Weise das Problem zu lösen. Was also passiert nach der WM? Dornröschenschlaf oder Aufbruch? Eine Endrundenauslosung wie heute kommt in den nächsten 100Jahren gewiss nicht mehr nach Leipzig und hilft, sich in den Mittelpunkt zu rücken. Deshalb sollte der einmalige Tag genossen werden. Vielleicht dient er auch als Entschädigung für die Leipziger, die in diesen Monaten einiges auszuhalten haben. Wenn ein Einheimischer zurzeit einem Gast den Weg weisen will, scheitert er bei der Erklärung spätestens an der zweiten Kreuzung. Straßensperrungen, Umleitungen, Baustellen wie noch nie nerven enorm - die Hoffnung auf ein baldiges Ende ist mitunter nur ein schwacher Trost. Aber ohne die Fußball-Weltmeisterschaft und auch ohne die allerdings früh gescheiterte Olympia-Bewerbung hätte sich vielleicht kaum ein Kran gedreht. Heute scheint es, als drehe sich die Welt um Leipzig.
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